Queerer Generationenvertrag - Meine August-Kolumne im GAB-Magazin

Gibt es einen queeren Generationenvertrag? Besteht eine ideelle Verbindung zwischen der gegenwärtigen Generation von Lesben, Schwulen und Transgendern und den vorhergegangenen? Ist diese Brücke über die Altersgruppen sinnvoll oder überhaupt gewollt? Junge queere Menschen ziehen ohne Frage großen Nutzen aus den gesellschaftspolitischen Kämpfen, die andere Jahrzehnte zuvor erfolgreich geführt haben. Dabei wollen sich aber trotzdem nicht alle in die Selbstbezeichnungen fügen, die früher erst mühevoll und zum Teil schmerzhaft mit Wertschätzung, Lebensgefühl und Stolz gefüllt werden mussten. Nicht wenige frauenliebende Frauen tun sich beispielsweise heute schwer, das Wort „Lesbe“ für sich zu gebrauchen. Queer geht dagegen immer. Ein Sammelbegriff, der so ausgefranst ist, dass er alles oder nichts bedeuten kann. Schon früher galt: Nicht überall, wo „homosexuell“ draufsteht, ist auch „lesbisch“ drin. Für den Begriff „queer“ gilt mindestens das Gleiche. Es schadet nicht, neue Begriffe zu gebrauchen, die mehr Menschen einschließen und deren Definition weniger eng geprägt ist. Wichtig ist, dass der Wunsch, mit der eigenen Verwendung von Sprache möglichst offen für möglichst viele und vieles zu sein, nicht in einer Beliebigkeitsfloskel mündet. Gelegentlich muss man sich nämlich schon fragen, ob „queer“ nicht immer öfter „mainstream“ ist.

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Prioritäten setzen - Meine Juli-Kolumne im GAB-Magazin

Saufen, Fressen, auf die Suche nach Fortpflanzungspartnern gehen. Wenn sich keine finden lassen, dann wenigstens dem Reviernachbarn eins zwischen die Hörner geben. Ansonsten ein schattiges Plätzchen suchen und dösen. – Das sind im Wesentlichen die Prioritäten im Tierreich. Bei uns Menschen ist es nur geringfügig anders: Trinken, Essen, gelegentlich sogar Saufen und davon ermutigt die intensivere Suche nach Sexualpartnern beginnen. Damit bei Letzterem eine Aussicht auf Erfolg besteht, sollten im Vorfeld möglichst regelmäßig Leibesübungen unternommen werden. Doch die Voraussetzungen, um ernsthaft Sport zu treiben, sind für viele von uns hoch: Es darf nicht regnen und weder zu warm noch zu kalt sein. Falls alles passt, verhindern meist gesellschaftliche Anlässe oder die Erwerbsarbeit den Gang ins Fitnessstudio. Ansonsten muss zu Hause mal dringend wieder Staub gewischt werden.
Irgendwas ist also immer, das uns von unseren als wichtig priorisierten Vorhaben abhält. Das geht der Politik nicht anders: Abstammungsrecht, Selbstbestimmungsgesetz, Antidiskriminierung, Bekämpfung von Queerfeindlichkeit – sie haben sich einiges vorgenommen in Berlin, und die Hoffnungen darauf sind in der Community groß. Doch Corona brandet Welle auf Welle heran und in Europa ist Krieg. Es gibt also viel Wichtiges zu tun. Das gibt es immer. Genau deshalb dürfen die queerpolitischen Vorhaben nicht auf die lange Bank geschoben werden.

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Feiern in der Krise - Meine Juni-Kolumne im GAB-Magazin

Neulich lief ich an einem Garten vorbei, und unter der Pergola hörte ich Stimmen. Viele. Und Gelächter. Es war eine private Gartenparty mit etwa drei Dutzend Gästen. „Unerhört“, dachte ich bei mir und suchte im Geiste nach der aktuellen 7-Tage-Inzidenz, den entsprechenden Höchstteilnehmer*innenzahlen und gültigen G-Regeln. Wie mittlerweile wahrscheinlich die meisten, bin ich hier aber längst nicht mehr auf dem Laufenden. Nachdem die große Politik Covid-19 trotz der mitunter vierstelligen Inzidenzen laufen ließ, lassen die Menschen im Land es nun auch laufen. Mit von unzähligen Schnelltests lederhäutig gewordenen Nasenscheidewänden sitzen sie nicht mehr ganz 1,5 Meter auseinander, geben sich aus Gewohnheit lieber weiterhin die Ghetto-Faust statt der Hand und fremdeln auch in der queeren Szene noch mit der potenziell schmierinfektiösen Küsschen-Küsschen-Begrüßung. Über Corona selbst redet man nun erst recht nicht mehr. Während eine europäische Nation in einem Tag für Tag gnadenloseren Krieg um ihren Fortbestand kämpft, mutet das unziemlich an. Über die eigene Versorgungslage tauscht man sich dagegen unbefangener aus, denn Sonnenblumenöl ist jetzt das neue Toilettenpapier. Weitgehend vergessen, weil sie nichts produzieren, was im deutschen Supermarktregal fehlt, sind aber die Menschen im äthiopischen Tigray, dem kurdischen Nordirak oder im Jemen. Wo war noch mal Afghanistan?

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Bequeme Illusionen - Meine Mai-Kolumne im GAB-Magazin

„Frankfurt hat keinen Platz für Queerfeindlichkeit“, hieß es neulich in einem Redebeitrag auf der Solidaritätsdemo gegen gewalttätige Übergriffe auf queere Menschen in der Mainmetropole. Ich würde sagen: Doch. Und Frankfurt hat auch einen Namen für diesen Platz: Die Konstablerwache – am Wochenende zwischen Mitternacht und Tagesanbruch.

Ort und Zeit sind bekannt und nicht neu. Seit mindestens drei Jahrzehnten ist das so. Zwischendurch hatten die Übergriffe mal deutlich abgenommen, doch die homo- und transfeindliche Gewalt steigt seit Jahren unübersehbar an. Dass man nicht noch öfter demonstrieren muss und die behördlich erfassten Hassdelikte gegen Queers in der Frankfurter Innenstadt, wie die Polizei mitteilt, „im mittleren einstelligen Bereich“ rangieren, liegt daran, dass sich die Szene – anders als die Mehrheitsgesellschaft – nicht der bequemen Illusion hingibt, dass es keine Orte gibt, die bestimmte Personengruppen schlichtweg meiden müssen, um Anfeindungen und Gewalt aus dem Weg zu gehen.

Es ist queeres Frankfurter Allgemeinwissen, dass man sich lieber was leiht, als nachts noch mal zum Geldautomaten an der Konstablerwache zu müssen, und sich in diesem Bereich allein am besten mit dem Taxi fortbewegt. Damit sich das ändert, ist ein erster Schritt, sich von lieb gewonnenen Floskeln zu verabschieden, die Realität in den Blick zu nehmen und Lösungen zu suchen.

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