Reisetagebuch

Der Hammering Man in Seattle – ein beeindruckendes Symbol für Arbeit und Industrie, festgehalten während meiner Reise durch diese faszinierende Stadt
Der Hammering Man in Seattle – ein beeindruckendes Symbol für Arbeit und Industrie, festgehalten während meiner Reise durch diese faszinierende Stadt

Postkartenzauber: Vom Schreiben in der digitalen Ära und der Grenzüberquerung nach Kanada

Seattle - Heute Morgen kann ich es entspannt angehen lassen, denn ich muss erst um viertel vor elf wieder am Bahnhof von Seattle in der King Street Station sein. Das lässt mir Zeit endlich meine Postkarten zu schreiben. Heute schickt man über WhatsApp, Facebook und Instagram Bilder in Echtzeit nach Hause. Die Follower können also live mitreisen.

Und trotzdem finde ich es schön, noch die altmodischen Postkarten zu schreiben und sechs Menschen zu Hause eine persönliche Nachricht von meiner Reise zu schicken, die sie oft erst nach Wochen erreicht. Ich schreibe immer sechs Postkarten, das hat sich bei mir so eingebürgert. Dabei ist die Postkarte genaugenommen ein sehr unpraktisches Kommunikationsmedium. Sie ist oft überhaupt nicht mehr günstig zu bekommen und vor allem in Deutschland hat die Post beim Porto ganz schön zugeschlagen. Eine Postkarte kostet im November 2023 70 Cent Porto. Ein Brief kostet 85 Cent und mit dem kann man mehrere Seiten beschriebenes Papier versenden. Außerdem habe ich festgestellt, dass die Deutsche Post Postkarten offenbar nachrangig, auf jeden Fall aber sehr langsam befördert. Mitunter sind Postkarten, die ich innerdeutsch von der Ostsee verschickt hatte, erst nach zwei Wochen bei ihren Empfängern angekommen.  

In den USA ist das Porto noch im Rahmen und ich sitze in meinem Backpacker Hostel in Seattle und überlege, an wen ich von dieser Reise mal eine Karte schreiben möchte. Damit mir diese Überlegungen bei meiner nächsten Reise einfacher fallen, könnt ihr mir also gerne eine Direktmessage mit eurer Adresse auf meinen Kanälen bei Instagram oder X schicken und bekommt dann von der nächsten Reise in einigen Wochen eine Postkarte von mir. Ich packe die Infos dazu in die Shownotes.

Mir ist noch in guter Erinnerung, wie anstrengend es war, vom Bahnhof mein Gepäck hier herauf in die Innenstadt von Seattle zu schleppen. Obwohl es gar nicht weit war. Nun ginge es auf dem Weg zum Bahnhof zwar bergab, aber ich nehme dafür trotzdem ein Uber-Taxi und bereue auch das. Denn beim Ausladen meines Koffers klemme ich mir im Kofferraumdeckel den Finger.

Der Bus steht vor dem Bahnhof, wo der Busfahrer die Reisepässe und Fahrkarten kontrolliert. Deutsche Staatsangehörige sind von der Visapflicht für Kanada befreit. Trotzdem braucht man mit einem deutschen Reisepass eine Electronic Travel Authorization, also eine elektronische Einreiseerlaubnis, abgekürzt eTA, die man sich zwingend vor der Abreise einholen muss. Sie kostet allerdings nur sieben kanadische Doller. Nur wer auf dem Seeweg oder wie ich auf dem Landweg nach Kanada einreist braucht diese Einreisegenehmigung nicht. Wer mit dem Flieger landet also schon.
Die Fahrt dauert gut drei Stunden und verläuft den größten Teil noch auf US-amerikanischem Staatsgebiet. Unterwegs vertilge ich die letzte Dose meines noch aus Texas mitgebrachten Reiseproviants und es gibt standesgemäß eine Dose Chicken Jambalaya. Dann ist der Ort Blaine und die Grenzstation erreicht. Dort muss man seinen Koffer persönlich über die Grenze mitnehmen. Er wird durchleuchtet, wie am Flughafen. Man selbst muss einem Grenzbeamten den Reisepass vorzeigen. Wie die meisten Grenzpolizisten auf der Welt, nuscheln sie auch in Kanada und ich verstehe ihre Frage erst gar nicht. Er wollte aber nur wissen, ob ich geschäftlich oder touristisch nach Kanada einreise. Mehr nicht.

"Vancouver aus der Ferne: Ein atemberaubender Blick auf die Skyline der Stadt, eingebettet zwischen schneebedeckten Bergen und dem funkelnden Ozean."
"Vancouver aus der Ferne: Ein atemberaubender Blick auf die Skyline der Stadt, eingebettet zwischen schneebedeckten Bergen und dem funkelnden Ozean."

Dann geht die Busfahrt noch eine knappe Stunde weiter und man sieht schon von Weitem die schneebedeckten Berge, davor die Skyline von Vancouver und erahnt auch ein bisschen das Meer.
Der Bus fährt einmal von Süden nach Norden durch Vancouver durch und ich steige am Pacific Central Bahnhof aus. Nun muss ich leider wieder ein ganzes Stück nach Süden in den Stadtteil Richmond, denn nur dort habe ich eine bezahlbare Unterkunft gefunden. Und auch die ist recht bescheiden. In Richmond werde ich nun fast eine Woche in einem Pod Hostel übernachten. Also in einem Kapselhotel. Diese Art von kojenartigen Mini-Zimmern kennt ihr schon aus Folge 7 und Folge 13 dieses Podcasts. Im Jahr 1979 eröffnete das erste Kapselhotel im japanischen Osaka. Seitdem hat diese platzsparende und preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit einen Siegeszug um den Erdball angetreten. Sie sind auch als Pod Hotels oder Wabenhotels bekannt. Die Zimmer sind gar keine richtigen Zimmer, sondern abschließbare Kojen, die so breit sind, wie die Matratze, so lang, dass man drin liegen kann und so hoch, dass man mit Glück aufrecht darin sitzen kann. Es gibt da drinnen Licht und mehrere Steckdosen. In den ersten Kapselhotels in Japan gibt es auch kleine Fernseher. In den meisten aber höchstens einen ausklappbaren Tisch. Aus Platzgründen sind die Schlaf-Kapseln zweistöckig angeordnet. Die obere Etage erreicht man über eine schmale Leiter mit einigen Trittstufen. Manche Kapseln sind mit einer Klapptür abschließbar. Oft gibt es aber auch nur einen Rollo oder Vorgang um die Privatsphäre herzustellen.
Die Toiletten und Waschräume werden gemeinschaftlich genutzt. Manchmal gibt es auch eine Küche und Gemeinschaftsräume. Das Gepäck kann man meist in einem Gepäckraum oder Schränken außerhalb der eigenen Kapsel aufbewahren. Ein Kapsel-Hotel unterscheidet sich also im Grunde nicht von einem Hostel oder einer Jugendherberge, außer dass man nicht in Stockbetten schläft, sondern eine kleine separate Wabe für sich hat.

Rückblick auf die Tiger Tour durch Südostasien: Übernachten im Kapselhotel in Singapur – ein futuristisches Erlebnis in der pulsierenden Metropole.
Rückblick auf die Tiger Tour durch Südostasien: Übernachten im Kapselhotel in Singapur – ein futuristisches Erlebnis in der pulsierenden Metropole.

Die Vorteile der Kapselhotels sind der günstige Preis und die gute Lage. Oft kann man so in bester Innenstadtlage sehr kostensparend Übernachten. Für Backpacker, die in der Regel mit weniger Komfortansprüchen mitunter aber kleinem Reisebudget unterwegs sind, sind diese Kapselhotels eine gute Lösung. Auch für Alleinreisende sind diese Hotels eine Möglichkeit, um mal mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen und Anschluss zu finden.
In diesem Pod Hotel in Richmond wird besonders auf Sauberkeit geachtet und wenn man an der Rezeption vorbei ist, muss man die Schuhe in einem abschließbaren Schuhschrank einschließen und mit den hauseigenen Pantoffeln in die Schlafräume gehen. Es gibt eine kleine Küche, wo man Tee und Kaffee trinken und sich sein Essen warm machen kann. Dort sitzt den ganzen Tag jemand, den ich für einen Russen halte und der dort schon länger zu wohnen scheint, denn er besitzt ein Fahrrad und geht regelmäßig zum Tennisspielen. Das spricht nicht für einen Touristen. Ich nehme an, dass er vor dem Militärdienst im Ukraine-Krieg hierher geflohen ist und seine Ersparnisse nur für so eine Unterkunft ausreichen. Ich verzichte aber darauf, ihn anzusprechen und die einzige Unterhaltung, die ich in den kommenden Tagen regelmäßig mit ihm führe, widmet sich der Frage, ob noch Kaffee da ist oder ob man welchen kochen sollte.

Mehr lesen und mehr hören zu diesem Reisetagebucheintrag:

Was ist ein Pod Hotel?

Voyage 2 Go - Folge 32 - Ankunft am Pazifik

Voyage 2 Go - Folge 33 - Die asiatischste Stadt Nordamerikas

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.