Reisetagebuch

Immer geradeaus

Zuhause in der Regenkombi

Ewig hat die Zulassung für mein neues Motorrad (BMW F800 GS) gedauert. Erst kurz vor meinem geplanten Reisebeginn kam dann doch noch der erlösende Anruf meines Händlers, dass die Frankfurter Zulassungsbehörde nach einem Monat endlich ihres Amtes gewaltet hat. Am nächsten Tag dann noch schnell die Versicherung abgeschlossen und am Tag darauf ging es los Richtung Osten. Ziel dieser Sommereise im Corona-Jahr 2020 sind die polnischen Masuren im ehemaligen Ostpreußen. Die Fahrt führte mich bislang durch den Spessart, den Frankenwald in das sächsische Erzgebirge. Weil ich mich völlig auf ihren Nebenstrecken verbummelt hatte, ging die Fahrt bis in die dunklen Abendstunden. Die letzten zwei Stunden waren dabei dann auch noch richtig miserabel. Übernachten wollte ich im teschechischen Teil des Erzgebirges in einem Waldgasthof kurz hinter der Grenze. Den erreichte ich aber erst weit nach Anbruch der Dunkelheit. Zuvor hate mich die Fahrt in strömendem Regen über eine kruvige Straße durch dunklen Wald geführt. Teilweise fuhr ich in den Wolken oder durch aufsteigende Neblschwaden. Führ das Anlegen der Regenkombi war es längst zu spät. Motorradjacke und Hose haben standgehalten, die Handschuhe waren durchgeweicht und haben ihre schwarze Farbe großzügig an meine Hände abgegeben. Trotz der besten Ausrüstung: Jedem der einen Kopf hat, läuft irgendwann auch mal das Wasser in den Kragen.

Am nächsten Tag wollte ich aus meinen Fehlern lernen und nach längerem Missbrauch des Badezimmerföns, um Handschuhen, Halstuch und Socken wenigstens einen Teil der Feuchtigkeit auszutreiben, zwängte ich mich in den geliehenen Motorrad-Regenoverall. Der ist aus Gummi und schützt nicht nur vor Feuchtigkeit sondern auch vor dem Wind, der mich mit meinen klammen Kamlotten schnell ausgekühlt hätte.

"Montag Ruhetag"

Eine deutsche gastronomische Unsitte ist der Rugetag am Montag. Nicht, das ich nicht den fleißigen Gaststättenbetreibern einen freien Tag pro Woche gönnen würde. Nur halt nicht allen gleichzeitig am Montag. In strukturschwachen, grenznahen Regionen wie dem Fichtel- und Erzgebirge kann das nämlich schnell bedeuten, ohne Abendessen ins Bett zu müssen. In einem Lausitzstädtchen bekam ich dann doch noch ein "Rostbrätl", das so durchwachsen war, wie das Wetter. Der mittägliche Tankstopp wäre die ideale Gelegenheit gewesen, die wasserdichte Regenkombi anzulegen, statt zu hoffen, dass es nur bei ein paar Tropfen bleiben werde. Das tut es nämlich nie. Und während der Gummi-Overalle hinten im Top-Case wohlig warm und trocken in seiner Baumwolltasche ruhte, fuhr ich in der Gischt der vorausfahrenden Lastwagen in prasselndem Regen 150 Kilometer auf der Autobahn und zahlte für dieses Vergnügen auch noch Maut.

Polen2020 Regenkombi webNatürlich regnete es auch auf der einsamen Landstraße auf der ich alleine solange geradeaus gefahren bin, dass ich stundenlang nicht mehr die Stimme von der Frau im Navi zu hören bekam und befürchtete, mein Fluchen hätte sie beleidigt. Auf dieser endlos langen, geradlinigen Waldstraße konnte man  nichts anderes tun als geradeaus zu fahren. Der Versuch kurzzeitig anzuhalten, endete mit Flucht. Schon beim Absteigen vom Motorrad hatte ich die Schwärme von Mücken gesehen, die offensichtlich harmlos waren, weil sie sich anscheinend nicht für mich interessierten. Das war eine Minute bevor sie mich und das Motorrad bedeckten und sich derart in uns beide verbissen, dass mir beim Tippen dieser Zeilen immer noch die Hände von den Stichen jucken. Während ich das Helmvisier nach dem ersten Stich in die schnell zuschlagen konnte, ließen sich die klatschnasse Lederhandschuhe nur schwer überstreifen und das Dilemma war mit der einen Hand den Handschuh überstreifen oder die Mücken wegschlagen, die zum Stich in die unbehandschuhte Hand angesetzt hatten.

Zuhause in der Regenkombi

Am Morgen des dritten Tages wachte ich nach gerechtem Schlaf in einem Hotelzimmer im zentralpolnischen Posen auf. Der Blick aus dem Fenster zeigte Wolken und die Wetter-App Regenwahscheinlichkeit von 33 Prozent. Der Widerwille mich heute in die Regenkombi zu zwängen überwog erneut. Irgendetwas musste ich aber unten aus einem der Motorrad-Koffer holen und wurde dort von Regentropfen begrüßt, so dass von ihnen ein großer Teil meiner Argumentationskette gegen die Regenschutzkleidung aufgelöst wurde. In voller wasser- un ddamit beinahe auch luftdichter Montur und Helm auf dem Kopf die Koffer zu schleppen, aufs Motorrad zu wuchten und jenes herumzurangieren ist überhaupt kein Spaß.

Die folgenden Stunden zeigten aber, wie wertvoll die Entscheidung für die das himmelfarbene Gummizeug. Irgendwann ist es dann sogar eine interessante Erfahrung, durch den strömenden Regen zu peitschen und bis auf eine feuchte am Hals komplett warm und trocken zu bleiben.
Als es zum Mittag aufklarte packte ich das Regenzeug ordentlich weg. Als dann gegen Nachmittag und nur 60 Kilometer vor meinem Ziel bedrohliche, dunkelblaue vor mir am Himmel standen, war ich so übereifrig, dass ich auf freier Strecke hielt, um mich erneut in die wasserdichte Kluft zu hüllen. Es regnete dann aber nicht einen Tropfen. Währned ich nun am westlichen Weichselufer sitzend diese Zeilen tippe, gewinnt die Sonne die Überhand und auch der Wetterbericht verheißt zwei, drei sonnige heiße Augusttage, die ich in Pommern mit Streifzügen zur Ostsee und Erkundung der Ordenritterfeste in Marienburg (Malbork) verbringen werde.

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Jessica Welt

Seit etwa drei Jahren lasse ich auf meinen Reisen einen GPS-Tracker mitlaufen und füge alle zurückgelegten Routen in diese Karte ein. Strecken, die ich auf dem Landweg zurückgelegt habe, kennzeichne ich orange, welche, die ich zu Fuß gelaufen bin in grün und die, die ich auf dem Wasser per Boot oder Schiff bewältigt blau.