Noch bevor die Kapellen und Kirchen rings um uns Schlafende in der kleinen Hütte am Ortsrand von Gera Lario um sieben Uhr mit ihrem Morgengeläut begannen, war ich heute wach. Ich richtete unser Frühstück, das bei mir die Besonderheit innehat, dass es aus einer koreanischen Nudelsuppe besteht, die ich heute mit Lauch und Ingwer und einem rohen Ei erweiterte. Die Zubereitung dauert so einen Moment länger, ist nun aber schon seit über einem Jahrzehnt meine Gewohnheit, für die ich, außer dass sie ungewöhnlich ist, keine Gründe finde sie abzulegen.
Durch diesen frühen Start in den Tag waren wir bereits vor zehn Uhr mit unserem Boot auf dem Wasser und dort so früh am Morgen die einzigen. Auf dem Comer See spielt der Wind die Hauptrolle. Vor allem im nördlichen Teil des Gewässers weht er morgens von Norden, um dann nach Mittag die Richtung zu ändern und aus der Gegenrichtung zu blasen. Mit diesem Wissen wollten wir am Vormittag probieren, wie weit südlich wir fahren konnten, um dann in der zweiten Tageshälfte mit dem Wind im Rücken wieder zurück nach Norden zu gelangen. Auf der spiegelglatten Seeoberfläche dieses Morgens passierten wir in Gleitfahrt bald nicht nur den malerischen Ort Bellagio, sondern wenig später auch die Villa Carlotta, die wir gestern besucht hatten. Wir kamen am Ort Nesso vorbei, wo neben efeubewachsenen Gemäuern Steinbrücken einen schmalen Zufluss zum See überspannen, der von einem aus der Höhe herabstürzenden Wasserfall gespeist wird. Mir lag ein Vergleich mit Mittelerde aus dem „Herr der Ringe“-Epos auf den Lippen. Unnötig, denn es genügt sich zu freuen, dass auch unsere Erde solche fantastischen Orte für uns bereithält.